Als Ostdeutscher habe ich ein besonderes Verhältnis zu dem Hamburger Hotelbewohner. Udo Lindenberg, das war in den Siebzigern immer die Musik der großen Jungs, der coolen Parka-Träger mit Stern-Rekorder oder Ghettoblaster aus dem Intershop. Das hörten diejenigen, welche Pink Floyd, Deep Purple und Uriah Heep auf ihre Federtaschen gekritzelt hatten. Damals, als ich noch Zeit für Bay City Rollers, Kenny, Mud und Rubettes hatte. Irgendwann kam die erste Lindenberg-LP auf den Plattenspieler, ich musste „Andrea Doria“ und „Wenn die Heizer kommen“ jedoch sehr leise hören, denn unser Nachbar hatte ein Telefon. Lindenberg, das war richtiger Rock, viel cooler als Puhdys und Karat. Noch später, in den Achtzigern, wurde der „Sonderzug nach Pankow“ zur karrierebedrohenden Mutprobe für staatlich geprüfte Schallplattenunterhalter. In Leipzig sprach sich schnell herum, wenn ein DJ es sich getraut hatte, den Sonderzug von der Chromdioxid-Kassette abfahren zu lassen. Eigentlich trauten es sich nur Kollegen, die bereits die Ausreise beantragt hatten.
Udo oder Maulschelle
Dieses Lied war der eigentliche Soundtrack in der Zeit vor 1989, nur Geschichtsklitterer nennen die Scorpions mit „Wind of change“ oder gar die vermeintliche Wendeballade „Als ich fortging“. Es ist im Rückblick eines der bekanntesten, aber längst nicht stärksten Stücke. An Lindenberg kam aber niemand vorbei. Ich erinnere mich an einen Abend, als ich im Leipziger Abschlepp-Schuppen „Carola Bar“ aufgelegt hatte: ein augenscheinlich aus dem Umland angereister Gast sagte zu mir „Spiel‘ mal Udo, ansonsten kriegste paar aufs Maul“. Ich habe nach diesem Geprolle Udo gespielt; Udo Jürgens, zuvor aber dem Schrank am Einlass einen Wink gegeben. Als ich diese Anekdote aus dem Langzeitgedächtnis reaktivierte, wurde mir bewusst, dass es auch für mich etwas Besonderes ist, im November 2014 Udo Lindenberg persönlich zu befragen.